01Dezember
2015

In der Hängematte über den Amazonas

28. November bis 01. Dezember - (Samstag bis Dienstag)

Es ist 6 Uhr früh am Samstag morgen. Mein Wecker geht und ich springe sofort aus dem Bett. Ich habe zwar noch genug Zeit, da die Behörde eh erst 8 Uhr aufmacht, aber ich fühle mich bereits gestresst und möchte anfangen meine To-Do-Liste abzuarbeiten um rechtzeitig alles beisammen zu haben. Ich packe zuende und gehe mir beim Bäcker Frühstück holen. Dann warte ich darauf abgeholt zu werden von meinem TukTuk. 7:30 gehts dann los. 

Ich erkläre, dass ich zuerst auf brasilianischer Seite zur Bank muss, dann zur Behörde um mir meinen Einreisestempel für Brasilien zu holen, dann will ich eine Hängematte und Wasser kaufen und dann zum Hafen das Ticket holen. Um 10:30 soll es aufs Schiff gehen, um 12 Uhr ablegen. Ich will aber so früh wie möglich aufs Schiff um einen guten Platz für die Hängematte zu bekommen. Wo ein guter Platz sein wird, weiß ich natürlich aber auch noch nicht :) Habe nur gehört: am besten weit weg von den Motoren und von den Toiletten.. das wird noch spannend. 

Bei der Bank angekommen dann auch gleich das erste Problem: ich krieg kein Geld. Also zur nächsten Bank, ein Glück klappt das hier, dauert aber ewig. Mittlerweile ist es schon 8:20 und daher ist bei der Behörde schon eine lange Schlange. Hinter mir stehen zwei Mädels aus Polen. Sie sind heute morgen vom Schiff aus Manaus angekommen, das hat 6 Tage gedauert (flussaufwärts dauert natürlich länger). Sie holen sich hier jetzt ihren Ausreisestempel, da sie nach Kolumbien einreisen wollen. Ich bekomme den Tipp, meine Hängematte auf Deck 2 aufzuhängen und bestmöglich mittig. Ich erwähne beiläufig, dass ich noch eine Hängematte am Hafen kaufen will, da bietet mir das eine Mädel ihre Hängematte an. Sie hat die ja auch nur 6 Tage benutzt und braucht sie nicht mehr, da sie wohl nicht mit Schiff weiterreisen werden. Ich geb ihr 20 Real, also keine 5 Euro und freue mich, dass ich das schon erledigt habe. Ich warte ingesamt ne gute Dreiviertelstunde auf meinen Einreisestempel. Ich habe schon die Sorge gehabt, dass es Probleme bei der Einreise gibt, da man bei Einreise nach Brasilien nachweisen soll, dass man innerhalb von 90 Tagen wieder ausreist. Ich habe ja kein Rückflugticket, daher auch keinen Nachweis.. Aber ich hab mir wohl die entspannteste Grenze Brasiliens ausgesucht. Der Typ guckt mich an und ich sage "Manaus", er nickt und stempelt, fertig :) Die Mädels fragen, wann mein Schiff geht und ich sag, 10:30 Uhr soll ich da sein. Sie gucken mich entsetzt an, es wäre ja schon kurz nach 10 Uhr, in Brasilien ist es eine Stunde später als in Kolumbien! Ich bin ein bisschen fassungslos, dass mir das keiner gesagt hat und das auch nirgends im Reiseführer oder sonst wo stand. Dann mal los, Wasser kann ich im Notfall ja auch noch kaufen wenn ich das Ticket hab. Der TukTuk Fahrer guckt nicht schlecht, als ich aus der Behörde mitsamt Hängematte wieder rauskomme :)

Mein Fahrer weiß nicht wo die Schiffe ablegen und fährt drei Mal zur falschen Ablegestelle, herrje, ich bin um 9 Uhr, (bzw 10 Uhr) schon wieder durch den Wind. Endlich am Hafen angekommen sieht alles noch ganz entspannt aus. Ich kaufe mein Ticket für 150Real (umgerechnet 37 EUR für 4 Tage an Bord inclusive Frühstück, Mittag und Abendessen, Kaffee, Saft, Tee und Wasser - günstiger geht Reisen wohl nicht, aber ich bringe ja auch mein eigenens Bett mit :)

Ich frage den Polizisten nach der Uhrzeit, es ist kurz nach 9! Die brasilianische Zeit ist zwar eine Stunde später, aber das wird aufgrund der Nähe der beiden Städte ignoriert, um Verwirrung zu vermeiden. Haha, gut dass ich nicht verwirrt war ;) deshalb hat das auch niemand erwähnt... Jetzt habe ich alles beisammen bis auf Wasser. Ich kann unmöglich meinen Backpack, meinen Tagesruckack, die Essensvorräte und die Hängematte mit zum Supermarkt schleppen. Ich positioniere alles neben dem Ticketstand und lege die Hängematte über meine Sachen. Meinen Tagesrucksack mit allen Wertsachen nehme ich mit. Das war wahrscheinlich in den 2 Monaten meiner Reise die mit Abstand gefährlichste Aktion für mein Gepäck, denn Hafen ist immer gefährlich was Diebstähle angeht. Matt und Clara haben auf dem Schiff eine Privatkabine gebucht (1.200 Real, also knapp 300 EUR) und kommen daher erst später, also keiner da, der für mich aufpassen könnte. Im Nachhinein war das wohl sehr leichtsinnig und ich muss wohl froh sein, dass noch alles da war! Mein Herzschlag beim einkaufen war auch nicht gerade niedrig :) Ich habe zwei Wasserkanister gekauft, also 10Liter, ich bin jetzt bestens vorbereitet.

Zurück am Hafen setzte ich mich mit meinen vielen Taschen soweit nach vorne, wie es geht. Der Polizist spricht mich wieder an, endlich mal jemand der englisch spricht. Er sagt mir, dass ich alles richtig gemacht habe Wasser zu kaufen, ich soll keinesfalls das Wasser an Bord trinken. Na immerhin hat sich die Aktion Wasserholen dann auch gelohnt. Wir unterhalten uns und ich frage nochmal nach dem besten Platz für meine Hängematte an Bord. Er sagt, da wo alle zuerst hinrennen :) Deck 2 und so mittig wie möglich. Ich frage wann es losgeht und er sagt, dass er mir Bescheid sagt. Wieder alles richtig gemacht, denn der nette Polizist sorgt dafür, dass alle in Etappen aufs Schiff gehen und ich gehe als allererste voran :)

Bisschen überfordert mit meinem Gepäck und den zusätzlichen 10Liter Wasser schleppe ich mich den Weg hinunter zum Schiff und dann 2 Stockwerke die schmalen Treppen hoch. Ich stehe auf dem leeren Deck und lasse mir die Hängematte vom Bordpersonal mittig an "Wasserfront" aufhängen. Ich denke ein bisschen Fahrtwind ist sicher angenehm. Meine Sachen kommen unter die Hängematte und ich falle hinein. Ich bin erledigt!!!

    

Die Backpacker finden sich zusammen. Matt hängt seine Hängematte rechts neben mich (die beiden schlafen zwar in der Kabine, aber für tagsüber ist so ne Hängematte zusätzlich ja nicht verkehrt). Das ist wiederum perfekt für mich, da sich niemend anderes direkt neben mich legt und ich nachts bisschen mehr Privatsphäre habe, soweit man bei 200 Menschen in Hängematten überhaupt davon sprechen kann... ;)  

Links neben mir positioniert sich Tim aus Stuttgart, daneben ein Pärchen aus England. Jetzt kann die Fahrt losgehen :-) Es ist lustig zu beobachten wie immer mehr Hängematten dazukommen. Eine Stunde später ist alles voll. Uns Backpackern wird ein bisschen Abstand gegönnt, bzw akzeptieren sie dass wir wohl uns nicht übereinanderstapeln. Teilweise werden die Hängematten hingehängt, wo eigentlich kein Platz mehr ist, übereinader und schräg überlappend, es ist alles dabei. Da diese Schiffe für die meisten das normale Fortbewegungsmittel ist, wie für uns Bahn oder Bus, wird teilweise mit dem halben Hausstand verreist, vlt auch umgezogen. Von Autoreifen über Fernseher bis zu Kochplatten wurde alles transportiert. Unser Schiff hat Wasserkanister an Bord, ein Glück keine lebenden Tiere oder irgendwas, das stinkt...

      

Insgesamt sind ca. 200 Leute an Bord, davon 13 Backpacker (England, Scottland, Schweden, Slowenien, USA, Polen und Deutschland). Bei 4 Tagen an Bord lernt man sich kennen und hat einiges an Zeit für Kartenspiele :)

Nach nur halbstündiger Verspätung legt unser Schiff um 12:30 Uhr kolumbianischer, 13:30 Uhr brasilianischer Zeit ab. Wir halten unterwegs oft an. Zuerst kommt Militär an Bord, es gibt eine Pass- und Gepäckkontrolle, bereits die zweite. Bevor wir aufs Schiff gegangen sind wurden wir bereits durchgecheckt. Jetzt wird nochmals alles durchsucht.. Das dauert bei der Anzahl an Passagieren und Gepäckstücken so seine Zeit und wir halten die Kontrollen für ziemlich sinnlos. Die Suche dient wohl hauptsächlich dem Auffinden von Drogen, da wir schließlich alle aus Kolumbien kommen..  Die Durchsuchung der Rucksäcke mit tausenden Seiten- und Innentaschen bleibt oberflächlich, also auch irgendwie unnötig. Diese Kontrolle wiederholt sich in den nächsten Tagen mehrfach..

Bei den meisten unserer Stopps werden Getränkekanister abgeladen und Passagiere steigen aus oder ein. Aber das ist nur für die etwas größeren Ortschaften der Fall. Möchte jemand aus einer kleinen Otschaft oder gar nur einem einzelnen kleinen Häuschen in der Wallachei mit aufs Schiff, dann muss er mit dem Kanu zum fahrenden Schiff. Das Kanu wird hinten am Schiff befestigt und wird mitgezogen, der Passagier  und Gepäck wird über eine Leiter aufs Boot geholt. Und so wird auch wieder ausgestiegen: ab ins Kanu und losmachen und zurück zum Ufer paddeln. Nachts ist es durchaus schon vorgekommen, dass nochmal an einer größeren Anlegestelle einige neue Passagiere eingestiegen sind und am nächsten Morgen sind Hängematten an Orten aufgetaucht an denen man keinen Plaz mehr vermutet hätte ;)

     Das Schiff ist schnell erkundet. Im unteren Deck, Deck 1, befindet sich die zu verschiffende Ladung, die Wasserkanister. Zusätzlich ist viel Platz für Hängematten, aber ich finde es doch sehr viel düsterer und ungemütlicher als auf Deck 2. Denn dort findet das eigentliche Leben des Schiffes statt, hier hängen die meisten Hängematten, es gibt Waschräume, Duschen und Toiletten und zudem die Küche und den Essensraum. Auf Deck 3 befindet sich ein kleines Kiosk, Tische und Stühle, an denen meist Karten gespielt wird, und die teuren Privatkabinen des Schiffes.

    

Unser Tagesabauf wird von einer kleinen Glocke bestimmt, die drei mal am Tag geläutet wird. 7 Uhr Frühstück, 12 Uhr Mittag und 17 Uhr Abendessen. Da wir erst mittags aufs Schiff gekommen sind, klingelt es das erste Mal um 17 Uhr und wir stellen uns in die lange Schlange um in den Essensraum zu kommen, die Erwartungen nicht besonders hoch. Es gibt Reis, Nudeln, Bohnen und Fleisch. Ich frage, ob die Bohnen vegetarisch sind, denn ich kann kein Fleisch erkennen. Mir wird freundlich zugenickt, na dann probiere ich mal. Schmeckt ein bisschen komisch, ich denke dass es nach Fleisch schmeckt, aber sage nichts, ich bin immer misstrauisch was das angeht, wohl zu recht.... Später, als die Schüsseln nachgefüllt werden, entdecke ich das Fleisch im Bohnentopf und noch später erfahre ich, dass Bohnen traditionell mit Innereien gekocht werden... na yammiehh. Vielleicht gibt es ja morgen was anderes.. Aber ich sollte mich täuschen, bei 37 EUR für 4 Tage und einer Verpflegung an Bord für 200 hungrige Menschen ist keine Abwechsung drin. Nur das Fleischgericht wechselt von Huhn zu Fisch und wieder zurück.. Ich esse Spaghetti pur mit Chili-Soße, zumindest die ersten 2 Tage zum Mittag und Abendessen. Ein Glück habe ich Obst und Snacks dabei! Zum Frühstück gibt es zur Abwechsung Brot, gefüllt entweder mit Fleischwurst oder Rührei... Sehr kulinarische Reise, trocken Brot und Spaghetti pur ;) Abe ich hatte ja nichts anderes erwartet und mich schon darauf eingestellt.

       

Bis einschließlich Montag ging es mir auch sehr gut und ich habe den stark angeschlagenen Tim neben mir mit Medikamenten verarztet und ihm meine Kekse und Wasser gegeben, der Engländer daneben ist ebenfalls krank geworden. Am letzten Tag ist kaum mehr einer von den Backpackern in den Essensraum gegangen, allein beim Klingel der Glocke und dem Essensgeruch ist uns schlecht geworden. Mir ging es ein Glück nur am letzten Tag schlecht und das obwohl ich fast nichts gegessen hatte und mein eignenes Wasser trinke. Die Hygiene an Bord ist natürlich nicht so gut, sodass ich mir sehr akribisch ständig die Hände desinfiziert habe, aber gut..... wir haben uns dann alle gesagt, wenn wir auf einer Amazonasreise auf einem Frachtschiff nicht krank werden, dann haben wir was falsch gemacht; das gehört ja irgendwie dazu..

Die meiste Zeit des Tages schaukeln wir in der Hängematte vor uns hin. Bei den Stopps beobachten wir das Treiben der kleinen Ortschaften, ich schreibe meinen Blog und abends sitzen wir in großer Runde auf Deck 3 und spielen Karten. 

  
Man könnte meinen, 4 Tage auf einem Schiff in der Hängematte seien langweilig, aber ehrlich gesagt ging die Zeit verdammt schnell um. Dazu kommt, dass wir sehr zügig vorankommen. Keine Sandbank, auf der wir aufgelaufen sind. Statt Mittwoch früh sind wir bereits Dientsag abend um 19 Uhr in Manaus im Hafen eingelaufen. Da wir alle gesundheitlich ziemlich angeschlage waren, konnten wir es dann auch kaum erwarten das Schiff zu verlassen. So cool diese Tage auf dem Schiff und die Erfahrung auch war, die 4 Tage haben auch ausgereicht und ich freue mich auf die Annehmlichkeiten des Hostels und ein richtiges Bett :)