04Februar
2016

Reiten und Kühe melken... 3 Tage auf der Farm El Galope

1. bis 4. Februar - Montag bis Donnerstag

Ich muss heute früh raus, denn mein Bus ins entlegene Kaff drei Stunden nordwestlich von hier fährt bereits um 7 Uhr ab. Ich will soviel Zeit wie möglich auf der Farm haben und daher heute zeitig ankommen. Im kleinen Örtchen Valdense angekommen werde ich von einer Mitarbeiterin der Farm El Galope abgeholt und es geht eine weitere halbe Stunde entlang der Felder und Farmen bis wir das Tor einer großen Farm erreichen. Das erste Tor öffnet meine Fahrerin noch selber und fährt auf den Hof. Bei dem zweiten Tor sind große Warnschilder befestigt, die hier lebenden Hunde sind wohl zu gefährlich um selbst einzutreten, daher wird geklingelt. 

   

Die Farm wird von Monika und Miguel geführt, ein sehr herzliches Ehepaar, die ihre Farm mit sehr viel Liebe führen. Die Taxifahrerin spricht kein Englisch, aber sie hebt ihren linken Arm und zeigt mir eine große Narbe. Dann zeigt sie auf das Schild mit dem zähnefletschenden Boxer und dann auf die Klingel. Ich vestehe aus ihrem spanisch soviel, dass sie vor einem Jahr gebissen wurde und ich nicht allein das Tor aufmachen soll. Mir wird ein bisschen Angst und Bange! Bei der Beschreibung der Farm stand: 5 Pferde, derzeit 2 Fohlen, 3 Katzen, 3 Hunde und Hühner! Dabei habe ich absolut nicht daran gedacht, dass hier Boxer leben könnten, die mir dann doch sehr gefährlich vorkommen..

Monika kommt uns entgegen und öffnet das Tor, wir fahren auf den Hof und laden meine Sachen aus. Erst mal nichts von den Hunden zu sehen. Die Estancia ist sehr liebevoll eingerichtet und es ist äußerst gemütlich mit großem Holztisch und einem Ofen. In meinem Zimmer schäft gerade ein Mädel, also stelle ich erst mal nur meine Sachen ab und gucke mir die Farm an. 

   

Monika gibt mir einen Plan von der Gegend und zeigt mir die Spazierwege und Farmen der Umgebung. Es gibt eine Milchfarm, derzeit mit vielen kleinen Kälbern. Die Besitzerin ist eine Freundin von Monika und sie sagt, ich darf da gerne zu Besuch vorbeigehen, nachmittags um 16:15 Uhr wird das zweite Mal gemolken und ich kann gerne zusehen oder mithelfen. Ansonsten kann ich morgens um 6:30 Uhr am Reitunterricht teilnehmen mit anschließendem Ausritt. Es gibt einen kleinen Minipool, eine Draußendusche und eine Sauna. Monika und Miguel waren für 4 Jahre in Tübingen und haben da das erste Mal eine Sauna kennengelernt. Sie fanden das so toll, dass sie auf ihrer Farm eine Sauna gebaut haben, damit hatte ich ja gar nicht gerechnet. Tagsüber ist es zwar sehr heiß, aber abends kühlt es ordentlich runter und da erscheint mir so ein gemütlicher Saunagang und ein Sprung in den Pool als genau richtig!

Aber bevor ich hier mit Ausflügen in die Umgebung starte, Kühe melke, reite oder in die Sauna gehe, möchte ich erst mal folgendes machen: NICHTS :) Ich wechsel in den Bikini und hole mein Handtuch und lege mich an den Pool und genieße die Stille und die Idylle! Monika arbeitet im Haus und Miguel arbeitet mit den Pferden, das eine Mädel das noch hier ist schläft und weitere Gäste kommen wohl erst später an, ich habe also die ganze Farm für mich allein! Entspannug pur :) 

Entspannung pur!, zumindest solange bis Monika mir Bescheid gibt, dass sie nun das Gate zur Koppel aufmacht und die Hunde wieder aufs Grundstück kommen. Ich bin nervös als zwei Boxer und ein Schäferhund auf mich zuwetzen und an mir rumschnüffeln. Monika sagt, die Hunde sind sehr lieb, ich darf nur auf keinen Fall das Gate öffnen. Falls ich die Farm verlassen will, soll ich Bescheid sagen und sie machen mir das Tor auf, wenn ich zurück komme, dann soll ich klingeln. Der Schäferhund ist schon älter und der gewinnt auch sofort mein Herz, lieb setzt er sich immer zu mir und will gekrault werden. Die beiden Boxer, so sagt Monika, sind erst 3 Jahre alt und wissen nicht, wie groß sie geworden sind, sie verhalten sich immer noch wie verspielte Babys. Sobald ich irgendwo sitze wollen sie auf den Sch0ß kommen, wenn ich am Pool liege wollen sie sich am liebsten auf mich legen. Herje! Die sind sooo riesig, gehen mir bis zur Hüfte und allein den halben Hund auf mir liegen zu haben ist schwer! Sie waren tatsächlich sehr lieb, haben immer Nähe gesucht und ich hatte am Ende auch keine Angst mehr, aber der Respekt vor solch großen Hunden bleibt! Aber wenn man paar Tage auf einer Farm verbringen will muss man wohl damit leben, dass dazu auch Hunde gehören. Selbst die Katzen haben Angst vor den Hunden und verbringen die meiste Zeit oben auf dem Dach, weshalb es häufig poltert wenn man drinnen sitzt. Schade eigentlich, denn mit den Katzen hätte ich lieber geschmust ;)

   

Gegend Abend sitzen wir gemeinsam drinnen und ich esse mein mitgebrachtes Gemüse, während Monika für die zahlenden Gäste das Abendessen serviert. Das andere Mädel ist auch aus Deutschland, dann ist noch eine Amerikanerin da und eine ältere Reisegruppe aus drei Italienern. Damit sind wohl auch fast alle Betten belegt. Nach dem Essen sagt Miguel mir Bescheid, dass die Sauna nun aufgeheizt ist. Mit Regan (das Mädel aus den USA) mache ich drei Saunagänge. Da hier alle früh aufstehen,  gehts auch zeitig ins Bett und wir sind alleine draußen. Wir springen unter die Draußendusche und dann machen wir uns es in der kleinen Holzsauna gemütlich, die tatsächlich ordentlich hochgeheizt hat. Als wir dann aus der Sauna kommen und nach der kalten Dusche in den Pool springen, kann ich meinen Augen kaum trauen! Weder nachts in der Wüste Dubais, Marokkos oder im Outback Australiens hab ich je so einen gigantischen Sternenhimmel gesehen!!! Da die nächsten Farmen Kilometer auseinander liegen, hier alle Lichter bereits erloschen sind und die nächste größere Stadt mindestens 3 Autostunden entfernt liegt, gibt es keinerlei störende Lichtquelle! Es ist eisig kalt und der Himmel äußerst klar. Die gesamt Milchstraße ist hell erleuchtet von Milliarden an leuchtenden Sternen so weit das Auge reicht! Wir sitzen also im Pool und schauen in den Nachthimmel hinauf und sind beide sprachlos bei diesem unbeschreiblichen Anblick! Ich kann den Blick nicht abwenden, besonders weil ich nicht damit gerechnet habe so einen Sternenhimmel hier sehen zu können, bin ich umso mehr berauscht von der Schönheit dieses Augenblicks! Wir kommen uns so klein vor im Universum und schauen so lange in die Weite des Nachthimmels hinauf, bis wir halb tiefgefroren nur noch zusammengekauert im kalten Pool hocken.. Die aufheizenden Saunagänge in Abwechsung zur Abkühlung im Pool mit Blick auf die Milchstraße erfüllen mich mit einer so unglaublich großen Zufriedenheit; ich bin so glücklich, es gibt in diesem Moment keinen schöneren Platz auf der Welt als genau hier!

Nachder Sauna bin ich so erschöpft, dass ich wie ein Stein schlafe! Leider geht der Wecker unsagbar früh, denn um 6:00 ist Frühstück, um 6:30 geht es los mit den Pferden! Wir beschäftigen uns erst mal intensiv mit den Tieren bevor es mit dem Unterricht und dem eigentlichen Reiten losgeht. Mein Pferd ist vor 2 Wochen Mama geworden, das kleine Fohlen habe ich auf der Weide schon gesehen!

 

Wir strigeln und satteln unsere Pferde und dann gibt es Reitunterricht: wie steige ich richtig auf, wie wird in Uruguay ganz Gaucho-Style richtig gesessen, die Zügel gehalten, gelenkt und und und.. Und dann geht es auch schon los mit den ersten Runden auf dem Hof. Meine frisch gebackene Mama wiehert die ganze Zeit nach ihrem Kind und ich bin etwas beunruhigt, aber sie ist ganz brav geblieben und ist nicht mit mir durchgegangen..

Miguel kontrolliert und verbessert uns, damit wir auch die richtige Haltung einnehmen und ja nur die Zügel mit einer Hand halten, das wird hier halt so gemacht (die Gauchos brauchen ja die zweite Hand fürs Lasso...) Nachdem wir ein paar Runden gedreht haben gehts nun über die Felder, wir versuchen uns im Trab und später im leichten Galopp, was mir am meisten Spass macht!

  

Es ist mittlerweile Mittag geworden und die Sonne knallt ganz schön auf uns herab. Und mir tut auch alles weh! Anders als bei dem letzten Ausritt am Strand (das war ja eher gemütlich) hat sich das reiten hier sehr viel sportlicher angefühlt und ich befürchte schon einen schlimmen Muskelkater. Zurück auf dem Hof holt Miguel dann seine "Gaucho-Outfits" heraus und wir haben unseren Spaß beim Fotoshooting ;)

  

Regan schägt vor dem Muskelkater vorzubeugen und ein bisschen Yoga auf dem Rasen zu machen. Monika muss schließlich die Hunde auf die Koppel bringen, damit wir da auch zu kommen, denn die drei sind sehr interessiert an Yoga und kamen uns immer in die Quere ;) Nach dem Mittagessen mache ich mich mit dem frisch angekommenen Ehepaar aus der Schweiz auf zu der Milchfarm. Monika erklärt uns zwar den Weg, aber dennoch verlaufen wir uns.. Das Kühemelken um 16:15 Uhr nachmittags haben wir irgendwann dann eh verpasst und machen aus dem Nachmittag einen dreistündigen Spaziergang über Felder und Wiesen.. Es ist herrliches Wetter und wir genießen die malerische Idylle des Landlebens. Einziger Haken ist, dass bei jeder Farm einige Hunde leben und häufig die Gatter offen stehen.So manches Mal kommt der eine oder andere Schäferhund auf uns zu oder hinter uns h - und ich bin äußerst froh nicht allein unterwegs zu sein..

 

Das war ein langer und anstrengender Tag! Wir sitzen zum Abendessen wieder alle gemütlich zusammen und ich überlasse die lieb gewonnene Sauna für heute Abend den Schweizern. Ich bin nach so viel sportlicher Betätigung eh viel zu müde und falle totmüde ins Bett! Das war ein wundervoller Tag...
Es bricht bereits mein letzter voller Tag auf der Farm an. Da ich mich ja eigentlich hier auch ausruhen wollte, bemühe ich mich den Vormittag gemütlich zu verbringen :) Mit Regan mache ich Yoga und ansonsten lege ich mich an den Pool und lese. Da heute niemand außer mir zur Milchfarm will (und ich will doch unbedingt die kleinen Kälber sehen!) muss ich mich wohl allein auf den Weg machen. Ich gehe um kurz vor 15 Uhr los, das sollte reichen um dieses Mal das Kühemelken 16:15 Uhr nicht zu verpassen und ich abe mir den Weg nochmal erklären lassen. Ich habe ein bisschen Angst vor den Hunden auf dem Weg und nehme einen großen Stock mit (Monika und Miguel lachen glaub ich heimlich über mich... aber ich fühle mich besser!) Eigentlich genieße ich das Spazierengehen sehr, aber immer wenn ich irgendwo etwas Kläffen höre, dann geht mein Puls hoch. Mehrmals kommen Hunde vom Grundstück und ich befolge Monikas Rat: ignorieren und im gleichen Tempo weiterlaufen! #alsschisserumdiewelt...

Es ist aber auch wirklich sonst niemand unterwegs, nicht mal auf den Grundstücken kann ich Leute entdecken, es ist einfach alles zu weitläufig und manchmal laufe ich eine halbe Stunde ohne dass ein weiteres Haus auftaucht. Monika sagte mir, dass sie hier jeden in der Gegend kennt und alles sehr sicher ist. Sollte jemand in meiner Richtung vorbeifahren, wird jeder anhalten und mich mitnehmen und das kann ich auch problemlos machen. Als ich schon über eine Stunde durch die Wallachei laufe kommt hinter mir ein großer Milchtruck vorbei und hält an. Der junge Mann am Steuer macht die Beifahrertür auf und ich frage nach Susannas Farm, es dürfte nicht mehr allzuweit sein. Er nickt und ich springe auf den Beifahrersitz. Fühlt sich komisch an zu trampen, aber ich bin erst mal froh einer Menschenseele zu begegnen und nicht allein einen Schäferhund oder Boxer anzutreffen..

 
Wie sich herausstellt ist der Milchtruck auch auf dem Weg zu Susanna und ich steige vor dem Grundstück aus. Der Milchtruck und der Fahrer verschwinden hinten auf dem Hof und ich stehe vor einem offenen Gate und vor dem Haus sitzen zwei Schäferhunde (verdammt!) und beäugen mich schon misstrauisch. Oh man, das ist einfach nicht mein Ding! Ich stehe bestimmt 5 Minuten doof in der Gegend rum bis ich den Fahrer aus der Ferne entdecke und mich langsam näher wage und schließlich an Hunden vorbei in die Molkerei gehe. Ich gucke beim Melken zu, sehe den großen Bullen und die Kälber. Von Susanna erfahre ich, dass die Kühe das ganze Jahr über draußen auf der Wiese stehen, in der Regel 20 Jahre alt werden und derzeit 7 Kälber auf dem Hof sind (sofern ich das alles in spanisch richtig verstanden habe..)

Das kleinste Kalb ist gerade mal 10 Tage alt und so unglaublich niedlich. Ich halte meine Hand hin und es beginnt an meinen Fingern zu nuckeln, ich bin hin und weg und verbringe bestimmt eine ganze Stunde nur bei den Kälbern, soooooooo süß!!!

     

Zumindest hat sich der nervenaufreibende Spaziergang allein hierher gelohnt! Ich bin glücklich und mache mich mit meinem Stock bewaffnet wieder auf den Heimweg. Keine 10 Minuten nachdem ich losgelaufen bin sind 2 Hunde auf meinem Weg und kommen auf mich zu. Die nächste Farm ist aber noch sehr weit weg und ich bleibe stehen. Was nun? Ich traue mich nicht weiter und gehe rückwärts. So was doofes, habe ja normalerweise keine Angst vor Hunden, aber das ist mir nicht so geheuer.. Ich blicke mich um und sehe in diesem Moment ein Moped as der Ferne hinter mir. Ich stelle mich mitten auf den Weg und halte das Moped an. Die junge Frau ist ganz verwundert, immerhin stehe ich mit einem Holzbrett bewaffnet auf der Straße ;) Ich frage sie ob sie Richtung El Galope Farm fährt und ich habe Glück, ich werde mitgenommen! Keine 10 Minuten später setzt sie mich vor der Farm ab und ich atme tief durch, geschafft :)

Eigentlich habe ich nur einen Spaziergang zur Milchfarm gemacht, aber innerlich war das ein halber Marathon...  Das Abendessen ist dann wieder sehr gemütlich und anschließend macht die ganze Farm einen Saunaabend :) Abwechselnd gehen wir alle in die Sauna und gucken vom Pool aus in den sagenhaften Sternenhimmel! Was für ein Ausflug, ich bin begeistert von meinen 3 Tagen auf der Farm. Schade, dass es morgen Vormittag schon wieder losgeht, aber ich will die Carnevalsumzüge in Montevideo ja nicht verpassen!